Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

alle, die den letzten Kommunalwahlkampf der CDU und auch meiner Person verfolgt haben wissen, dass die Hallgartener Grundschule ein Herzensthema von mir ist. Als Hallgarter Mädchen, das eben-falls auf die Hallgartener Grundschule gegangen ist und dort vier sehr positiv prägende Jahre erlebt hat, ist mir weniges in der Stadtpolitik so wichtig wie der Erhalt der Hallgartener Grundschule.
Dennoch werden wir der Vorlage der Schulbezirksgrenzenänderung nicht zustimmen können, was aber keinesfalls bedeutet, dass der Erhalt der Hallgartener Grundschule für uns nicht zu den höchsten Prioritäten zählt. In der Vorlage wird propagiert, dass die Schulbezirksgrenzenänderung für den Erhalt der Grundschule unabdingbar sei. So sei es zum Erhalt der Schule notwendig, eine Anzahl von zehn Kindern zusätzlich in die Schule nach Hallgarten zu schicken. Auch wird formuliert, dass die Pfingst-bachschule sprichwörtlich aus allen Nähten platzt. Folglich wird die Schlussfolgerung gezogen, dass mit der Veränderung der Schulbezirksgrenzen die Hallgartener Grundschule gestärkt und jene in O-estrich entlastet werden könnte. Rein rechnerisch geht das auf. Warum es aber dennoch weder sinnvoll noch zwingend notwendig ist, werde ich im folgenden erläutern und muss dabei einmal ein paar Jahre zurückspulen.

In der Vorlage wird nicht erwähnt, was der Werdegang ist, der unter anderem zu dieser Vorlage ge-führt hat. Jener ist maßgeblich unter SPD Landrat Albers gegangen worden. Schon damals haben wir in der SV eine Resolution gegen die Schließung der Winkeler Grundschule unterzeichnet. Dem Kreis – damals unter Führung von Herrn Albers – waren die Renovierungskosten zu teuer, die Schule wurde geschlossen. Die Kinderzahlen würden für zwei Grundschulstandorte nicht ausreichen; eine große stabile Schule sei besser als zwei kränkelnde etc. pp. Alle Kinder aus Winkel und großteils aus Mittel-heim müssen seitdem nach Oestrich in die Grundschule gefahren werden.

Kurze Beine – kurze Wege; ein Wahlslogan, der vielerorts gebraucht wird, kann seitdem hier nicht mehr erfüllt werden. Nach wie vor war die damalige Entscheidung falsch. Wichtig ist aber jetzt in die Zukunft zu schauen und zu konstatieren, dass die Folgen dieser Entscheidung von vor xy Jahren weder die Oestrich-Winkeler Kindern und Eltern benachteiligen noch dem jetzigen CDU Landrat Zehner angelastet werden dürfen.

Nun sind aber offensichtlich nach der damaligen Entscheidung noch nicht genug Kinder mit Bus/Auto unterwegs, die entfernungstechnisch nicht mehr zur Schule laufen können; jetzt sollen diejenigen, die noch zur Schule in Oestrich laufen können, nämlich die Kinder aus der in der Vorlage wohnenden Straßenzügen, mit dem Bus nach Hallgarten fahren. Unterm Strich sitzen dann schätzungsweise 2/3 der Kinder aus Oestrich-Winkel im Bus zur Grundschule. Mit „kurze Beine, kurze Wege“ hat auch dies nichts zu tun – vom ökologischen Mehraufwand ganz zu schweigen.

Verstehen Sie mich nicht falsch, der Kreis hat seine Interessen. Aus Sicht des Kreises ist die Schulbe-zirksgrenzenänderung absolut plausibel. Der Umbau der Grundschule in Oestrich hält sich in Grenzen, Kosten werden gespart; die Grundschule in Hallgarten erhält Zuwachs. Die Räume dort werden effizi-enter ausgelastet. Für den Kreis ist die Schulbezirksgrenzenänderung eine win-win-Situation. Aber wir als Stadt haben ganz originär – und das ist auch kein Schießen gegen die Kreispolitik – andere Prioritäten. Meine persönliche Priorität ist das Wohlergehen aller Oestrich-Winkeler Kinder und deren Familien. Und dazu gehört, dass die Kinder aus Oestrich nicht nach Hallgarten gezwungen werden. Ich muss Ihnen sicher nicht erklären, warum das für die Oestricher Kinder negativ ist, aus ihrem gewohnten Umfeld, Freundeskreis etc. rausgerissen zu werden, während die Kinder, die eine Straße weiter wohnen, nach Oestrich in die Schule gehen. Dazu kommt der durchaus herausfordernde pädagogische Aspekt der Integration der Oestricher Kinder, die sich von der Stimmung ihrer Eltern dazu gezwungen fühlen, nach Hallgarten zu müssen. Das ist auf allen Ebenen menschlich und pädagogisch höchst problematisch.

Nun bleibt noch der durchaus in Teilen berechtigte Aspekt, dass die Schüler:innenzahlen in Hallgarten nicht so stabil sind wie wir uns das wünschen. Erlauben Sie mir hier die Anmerkung, dass die Ein-bringung der Vorlage ohne das zugrunde Legen der konkreten Zahlen für uns als Stadtverordnete problematisch ist, die Zahl von zehn Kindern scheint auch sehr willkürlich und wird in der Vorlage auch nicht begründet. Wie dem auch sei sind die Zahlen aber – wenn man sich die KiTa-Jahrgänge anschaut – nicht so dramatisch, dass eine Schließung der Hallgartener Grundschule bevorsteht. Sollte – wie es derzeit auch gehandhabt wird – die Schüler:innenzahl doch mal unter die magische Grenze fallen, gibt es immer noch die Möglichkeit, jahrgangsübergreifend zu unterrichten. Das mag pädagogisch ebenfalls durchaus herausfordernd sein, kann aber auch Vorteile für die Schüler:innen haben, wie z.B. Förderung der Sozialkompetenzen beim Erklären etc. Der PISA Spitzenreiter Estland macht es mit gemischten Gruppen vor.
Von einer dauerhaften Unterschreitung der nötigen Schüler:innenzahl sind wir weit entfernt. Also kann unserer Auffassung nach von einer drohenden Schließung – wie die Vorlage uns weismachen will – keine Rede sein.

Natürlich verschließen wir als CDU-Fraktion aber auch nicht die Augen vor den derzeitigen Schüler:innenzahlen in Hallgarten. Uns ist sehr wohl bewusst, dass es in manchen Jahrgängen wirklich knapp ist und in Zukunft auch knapp werden/knapp bleiben kann. Folglich sehen auch wir Handlungsbedarf. Unser Ansatz beruht aber eben nicht auf Zwang, sondern auf Freiwilligkeit. Uns ist wenig bekannt, wie in der Vergangenheit die Hallgartener Grundschule in den Talgemeinden attraktiv gemacht und angepriesen wurde. Und das obwohl sie auch im Vergleich zur Pfingstbachschule andere Vorzüge und Schwerpunkte hat. Daher wünschen wir das Erstellen eines Konzepts zur Attraktivitäts-Steigerung der Hallgartener Grundschule und vor allem zur Kommunikation der Attraktivität.
Um der Zeit wegen nur einen Punkt zu nennen: die kleine Hallgartener Grundschule kann vor allem für Kinder, die sozial sensibel sind, eine hervorragende Alternative sein. Gerade jüngere Schüler:innen haben oft Probleme, sich in großen Gebäuden zurecht zu finden. Sie sind überfordert, wenn sie täglich so vielen Menschen begegnen wie es auf der Pfingstbachschule der Fall wäre. Die familiäre Atmosphäre in Hallgarten könnten also zu einer positiven sozialen Entwicklung der Kinder führen. Möglicherweise kann auch die Beziehung zu Oma und Opa genutzt und gestärkt werden, wenn die Kinder nach der Schule zu den in Hallgarten wohnenden Verwandten gehen.

Zusammengefasst empfehlen wir in unserem Antrag, dass die Schulbezirksgrenzen des status quo erhalten bleiben, wobei der Kreis den Ausbau der Pfingstbachschule in Oestrich dahingehend vornehmen soll, dass die zu erwartenden steigenden Schüler:innenzahlen passend abgebildet werden.
Zudem wünschen wir eine konkrete Darstellung der Attraktivität der Hallgartener Schule gegenüber der Eltern in Oestrich-Winkel, wodurch wir auf den freiwilligen Zuwachs der Hallgartener Schule von außerhalb hoffen. Das gilt natürlich auch und besonders bei neu zuziehenden Eltern mit familiärem Umfeld in Hallgarten Gleichzeitig verschließen wir aber die Tür der Schulbezirksgrenzenänderung nicht für immer. Sollte der Erhalt der Grundschule Hallgarten in der Zukunft irgendwann derart gefährdet sein, weil ein dauerhaftes Unterbleiben der notwendigen Schüler:innenzahl vorliegt, muss die Diskussion um die Schulbezirksgrenzenänderung unter anderen Voraussetzungen erneut geführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bleibe beim Slogan „kurze Beine, kurze Wege“. Lassen Sie uns gemeinsam als Stadt dafür sorgen, dass möglichst wenige Kinder die Wege zu Fuß zurücklegen können; dass möglichst wenige Kinder in einen Schulstandort gezwungen werden und dass wir die durch den Wegfall der Winkeler Grundschule leider bereits eingeschränkte Vielfalt unserer Schullandschaft so gut es geht bewahren. Für die Familien in unserer Stadt.

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